von MALENE GÜRGEN UND SOPHIA KRAUSE
STADTENTWICKLUNG Ihre Wohnungen werden für den Bau der A 100 abgerissen, doch die letzten MieterInnen der Beermannstraße, die heute ausziehen müssen, bekommen nun doch erhebliche Ausgleichzahlungen
Widerstand zahlt sich aus: Die sechs Mietparteien, die sich geweigert hatten, ihre Wohnungen in der Treptower Beermannstraße für den Ausbau der Stadtautobahn A 100 zu räumen, sollen nun Ausgleichzahlungen erhalten - die Differenz zwischen ihrer bisherigen und ihrer künftigen Miete, und das bis zu 191 Monate, also fast 16 Jahre lang. Das hat die Enteignungsbehörde entschieden, an die die eigentlich zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Fall weitergereicht hatte.
Die Behörde entschied nun zwar, dass die MieterInnen tatsächlich bis zum heutigen Montag ihre Wohnungen räumen müssen. Gleichzeitig sollen sie aber mindestens bis zu einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen die Ausgleichszahlungen erhalten. Diese werden aus Bundesmitteln finanziert. Die Senatsverwaltung hatte solcherlei Zahlungen immer verweigert - die MieterInnen, die bereits ausgezogen sind, gehen nun leer aus. "Das sind zwei ganz unterschiedliche juristische Vorgänge", sagt dazu die Sprecherin der Senatsverwaltung, Petra Rohland. "Wer sich nicht wehrt, ist der Dumme, das kann doch nicht sein", kommentiert der Grünen-Abgeordnete Harald Moritz, der das Verfahren einen "Skandal" nennt.
Der Bund, dem die beiden betroffenen Häuser gehören, hatte den Mietern 2013 gekündigt. Rund vierzig Mietparteien sind bereits ausgezogen, der Senat hatte ihnen Ersatzwohnungen angeboten, deren Mieten in der Regel aber deutlich über den bisher in der Beermannstraße gezahlten liegen. Da der Abriss der Häuser und der Autobahnbau einem engen Zeitplan unterliegen, wurde der Fall an die Enteignungsbehörde übergeben, die bei Konflikten zwischen Privat- und Allgemeininteressen vermittelnd eingreift. Die Behörde sprach den Mietern nun die vorübergehenden Ausgleichszahlungen zu. Sollte das Gericht die Kündigungen für rechtmäßig befinden, enden die Zahlungen. Andernfalls erhalten die Mieter das Geld bis zum Ende der 191 Monate. Bund und Senatsverwaltung signalisierten, die Entscheidung der Behörde zu akzeptieren - ob alle Mietparteien ihre Wohnungen tatsächlich am Montag räumen, ist bisher unklar.
Unter dem Motto "Besetzen statt räumen" fand am Sonntagnachmittag eine Demonstration gegen den Abriss der beiden Häuser statt, die von der besetzten Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg bis zur Beermannstraße zog.
Zu Beginn der Veranstaltung hatten sich dort rund 100 Menschen versammelt. "Wir freuen uns über die Entscheidung für die Ausgleichzahlungen, weil sie zeigt, dass Widerstand sich lohnt", sagte einer der Aktivisten. "Nichtsdestotrotz werden wir weiter dagegen protestieren, dass bezahlbarer Wohnraum zugunsten einer Autobahn geopfert wird." Ob es im Anschluss an die Demonstration tatsächlich zu Besetzungsversuchen in den beiden Häusern kam, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
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