Samstag, 21. Februar 2015

rbb inforadio

Kurz vor dem Abriss ins Hotel 

http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/02/a100-beermannstrasse-treptow-autobahn-schlichtung.html 
 
Lange sah es so aus, als könnten sechs Mietparteien in der Beermannstraße den A100-Bau stoppen. Doch das scheint nun abgewendet: Die Mieter bekommen Ausgleichszahlungen für die höheren Mieten in den neuen Wohnungen, außerdem kommt der Senat für Hotelübernachtungen bis zum Einzug auf. Richtig zufrieden wirken die letzten Bewohner damit nicht - aber sie scheinen sich zu fügen. Von Julia Rehkopf


Die Bauarbeiten für die A 100 sind seit Monaten im Gange, jetzt ist der Abschnitt am Treptower Park dran. Dafür müssen zwei Wohnhäuser in der Beermannstraße abgerissen werden. Die meisten Mieter sind schon ausgezogen, nur sechs Mietparteien sind noch dort. Aber auch deren Zeit ist abgelaufen: Am Montag müssen alle Wohnungen leer sein. Die letzten Mieter haben darum nun eine saftige Ausgleichszahlung zugesagt bekommen. Sie soll ihnen helfen, Umzug und neue Miete zu stemmen.


Die Zahlen klingen riesig: 191 Monate, also fast 16 Jahre lang, soll es die Ausgleichszahlungen für die verbleibenden Mieter der Beermannstraße 20 und 22 geben. Im Fall des Mieters Benjamin S. sind es 140 Euro im Monat - das wären dann insgesamt knapp 27.000 Euro. "Das macht es natürlich dann schon wesentlich einfacher, noch einen geeigneten Wohnraum zu finden",  sagt Benjamin S.



Die Enteignungsbehörde hat gesprochen

Aber woher kommt dieses Geld auf einmal? Bisher war die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür zuständig, das Haus zu entmieten, und hatte nichts dergleichen angeboten.


Die Senatssprecherin Petra Rohland erklärt diesen Wandel so, dass der Senat eben das Problem weiterreichen musste, als die Verhandlungen mit den sechs Mietparteien nicht zum Erfolg geführt hatten. Weil die Mieter in den Häusern bleiben wollten, sei dem Bauherren "nichts weiter übrig geblieben, als die Enteignungsbehörde anzurufen".

Unabhängige Entscheidung

Die Enteignungsbehörde arbeitet unabhängig und hat nun zwei Dinge entschieden: Zum einen müssen am Montag alle Mieter endgültig draußen sein, sonst werden sie auf eigene Kosten polizeilich geräumt. Zum anderen entschied sie, dass den Mietern ein finanzieller Ausgleich zusteht in Höhe der Differenz zwischen der alten und der neuen Miete.

Diese Entscheidung wirkt für den Staatssekretär Christian Gaebler (SPD), der sich bei der Senatsverwaltung um die Beermannstraße kümmert, wie eine Klatsche - denn der Senat hatte von Ausgleichszahlungen bislang nichts wissen wollen: "Die Frage der Entschädigung für die Mieter ist immer eine schwierige Verhandlungssache; uns sind da bundes- und haushaltsrechtlich Grenzen gesetzt. Wenn jetzt die Enteignungsbehörde andere Sachen entscheidet, ist das natürlich eine Grundlage, auf der dann geprüft werden muss, ob diese Ansprüche erfüllt werden können."

Ein Prüfung der Kündigungen steht noch aus

Die Ausgleichszahlungen allerdings kommen nun aus Bundesmitteln, das Budget der Senatsverwaltung wird also nicht belastet. Und: Ob das Geld nun wirklich gezahlt wird, macht die Behörde davon abhängig, ob die Kündigungen rechtmäßig waren. Und auf genau diese Frage geben Mieter und Senatsverwaltung sehr unterschiedliche Antworten, wie die Sprecherin Petra Rohland erklärt: "Die Mieter haben gegen ihre Kündigung geklagt. Da gibt es noch keine Entscheidung. Und deshalb hat die Enteignungsbehörde gesagt: Vorsorglich wird bis zu einer solchen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Kündigung eine Ausgleichszahlung passieren."
Der Mieter Benjamin S. hat inzwischen jedenfalls seine Sachen gepackt, er will am Montag endgültig ausziehen. Eine neue Wohnung hat er noch nicht, die Angebote, die ihm der Senat gemacht hatte, hatte er seinerzeit ausgeschlagen: "Ja, das ist eben ärgerlich, weil da schon etwas dabei war, allerdings waren die Angebote immer so um die 150 bis 200 Euro teurer und das konnte ich eben unmöglich bezahlen von heute auf morgen", sagt S.. Jetzt allerdings seien auch diese Ersatzwohnungen weg.

Widerstand hat sich offenbar gelohnt

Und trotzdem: Der Widerstand der letzten Mieter hat sich für diese gelohnt. Für Sonntag hat das Bündnis "Besetzen statt Räumen" zwar noch eine Demonstration zu den beiden Häusern in der Beermannstraße angekündigt - mit möglicher anschließender Besetzung. Für Benjamin S. spielt dieser Protest allerdings keine Rolle mehr. Seine Möbel werden zwischengelagert, er selbst zieht vorerst ins Hotel: "Das muss auch der Senat übernehmen, das steht auch im Beschluss der Enteignungsbehörde, allerdings nur für drei Wochen", sagt er. Jetzt müsse er eben ganz einfach gucken und weiter suchen.




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