Mittwoch, 29. Oktober 2014

Berliner Kurier 29.10.2014

A100: Warten auf die Abrissbirne

Mieter wollen nicht weichen

von Cornelia Schmalenbach
http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/mieter-wollen-nicht-weichen-a100--warten-auf-die-abrissbirne,7169128,28879302.html

BERLIN – Vor dem Winter setzt der Senat den letzten Mietern in der Beermannstraße 20 und 22 die „Pistole“ auf die Brust: Für die Verlängerung der A100 sollen sie bis Freitag ausziehen. „Vorzeitige Besitzeinweisung“ heißt die Vertreibung im Amtsdeutsch.

Diese beiden Häuser mit 120 Wohnungen sollen verschwinden. Betroffen sind auch die hinteren Flügel im Garten und Seitenaufgänge. Foto: Lebie
Für den Bauabschnitt der A100 von der Grenzallee bis nach Treptow müssen die Häuser weg. Betroffen sind auch Gartenhäuser auf den grünen Innenhöfen und die Querriegel. Das Zuhause von 120 Mietern.

Zu den letzten zwölf, die noch keine neue Bleibe fanden, gehört auch eine Familie mit drei Kindern. „Wir suchen eine bezahlbare Wohnung in der näheren Umgebung, weil die Kinder hier zur Schule gehen“, erklärt die blonde Frau aus dem Erdgeschoss. „Ich habe große Angst, dass wir obdachlos werden.“
Sichtbarer Protest der letzten Mieter in der Beermannstraße in Treptow gegen die A 100.
Foto: Lebie
Benjamin S. (35) harkt Laub auf dem Hof. Er lebt seit acht Jahren in einer Zwei-Raum-Wohnung, unsaniert, für 350 Euro. Mehr kann sich der studierte Musiker und Künstler nicht leisten. In dem einen Zimmer steht sein Flügel, hier malt er auch. Der Senat bot ihm etliche Ersatzwohnungen an. „Unbezahlbar für mich“, sagt er.
Die Beermannstraße 20 wurde erst in den letzten Jahren saniert.
Die roten Herzen auf den Briefkästen erinnern an glückliche Zeiten der Bewohner.
Foto: Lebie
Dabei hatte Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung, versprochen, dass es keine Differenz zwischen alter und neuer Miete geben soll, wenn, dann nur gering. S. hat sich das Zitat aufgehoben. Sein günstigstes Wohnungs-Angebot lag 65 Prozent drüber, das teuerste war mehr als doppelt so hoch.



Benjamin S. sitzt an seinem Flügel. „Er ist meine Existenz“, sagt der Musiker. Zum Üben und Malen braucht er Platz.
Foto: Lebie



Der Mann lässt sich nicht vertreiben. „Mit dem Drohbrief will uns der Senat einschüchtern“, sagt er. „Die Verlängerung der Autobahn soll erst 2022 fertig sein – 3,2 Kilometer für 473 Millionen Euro. Ein Riesenprojekt. Wir Mieter aber sollen ohne Entschädigung einfach so verschwinden.“

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